Die Zeit im offenem Gefängnis und der Militärdienst (Kapitel 4) Was ich nicht in den Akten fand: ich flüchtete zu einem Landwirt nach Stallikon hinter  dem Üetliberg, weil ich nicht in eine Anstalt wollte. In den  Akten fand ich viele Jahre  später: man hätte mich dort in Pflege gegeben. Wer sollte das gemacht haben?  Das  sogenannte Schülerheim Schwäbrig war  schon eher ein Zuchthaus für Knaben und von  solchen Institutionen hatte ich genug. Ich meldete mich sofort in der Schule in Bonstetten  und ging dort  in die erste Klasse der Sekundarschule. Ich hatte einen Lehrer, der meine  Situation sehr schnell erkannte. Er war sehr streng, konsequent aber auch sehr  lieb. In  der Mittagszeit durfte ich bei ihm und seiner Frau sein. Er wollte mich dann adoptieren,  aber das wurde von meinen Eltern und der Behörde in  Meilen abgelehnt. Es war Herr Dr.  Felix Wendler, ein ganz lieber Mann. Hier in dieser Familie hätte ich psychisch und  Physisch gesunden können.  Aus einem Vormundschafts - Bericht vom 15. September 1953, der meine Situation  schildert entnehme ich, dass ich am 14. September 1953 ins  „Erziehungsheim“ Buttenau  in Adliswil versorgt wurde. Erziehungsheim?? nein niemals. Das war eine sehr kleine  Anstalt für entlassene  Strafgefangene aus dem Zuchthaus Regensdorf im Kanton Zürich,  die zur Wiedereingliederung dort versorgt wurden. Es war ein einfaches Bauernhaus  mit  Stall und Scheune und es hatten nur acht Personen Platz und alle schliefen in einem  Zimmer. Was ich nicht wusste, was ich nicht konnte, das habe  ich dort gelernt aber nie  angewendet. Unter offenem Gefängnis versteht man eine Erziehungsanstalt für  Schwererziehbare. Solch ein Haus darf man nur  mit Erlaubnis verlassen werden, da  sonst die Polizei eingeschaltet wird und das geschlossene Gefängnis droht. Ich war an  diesem Ort, obwohl ich nur  meiner Mutter fünf Franken und später im Kinderheim eine  Hand voll Rosinen in einem Laden gestohlen hatte. Dort begann ich die Bibel zu lesen  und  nach Wahrheit zu suchen.  Mein Bruder wurde in Zürich in das Kinderheim eingewiesen, genau in  dem, wo ich von einer  Kinderkrankenschwester am Hals sauber  gemacht wurde. Mein Schwesterlein kam zuerst in die Kindergrippe   und später in ein Kinderheim nahe der Stadt Zürich.  Ich suchte nach einem gerechten Gott, aber ich fand ihn nicht. Ich las  fast täglich in der Bibel. Ich suchte nach  jemandem, der mir helfen  würde aus dem Gefängnis heraus zu kommen. Jeden Tag musste ich  auch im  Sommer von dieser Anstalt aus mit genagelten Bergschuhen  in die Schule nach Adliswil laufen.  Logischerweise wurde ich von  gleichaltrigen  Kindern ausgelacht. Trotzdem ich eigentlich nach  dem  heutigen orthodox - jüdischen  Gesetz ein  jüdisches Kind war,  wurde ich in den   Konfirmandenunterricht geschickt  und unter  Druck konfirmiert, nicht  ganz, denn ich war froh,  wenn ich  von dieser Anstalt weg war. Dies   geschah in der Methodisten Kirche  in Adliswil.  In diesem Untericht war  ich das aller erste Mal  verliebt. Ruth  Gerber wohnte nicht weit von der   Anstalt weg und so hatten wir den  gleichen Weg  in die Schule und in  den Konfirmanden-  unterricht. Leider  hörte ich von Ruth nie mehr  etwas.  Mein Name war in ihrem Herzen  bald  gelöscht.  Ungefähr nach neun Monaten  wurde ich von dem über mich zuständigen  Vormund  Armin  Landolt aus Stäfa zu einem Landwirt Namens Trüb nach Greifensee gebracht.  Dort soll ich über meine Berufswahl nachdenken. Aber Wie und wann ?  Dort wurde ich  jeden Morgen, auch am Sonntagmorgen um 5 Uhr aus dem Bett gejagt. Ich musste den  Stall ausmisten und das obwohl ich sehr  schwach war. Frühstück gab es dann um 8 Uhr.  Dann war Holz zersägen und spalten an der Reihe. Auch musste ich zum Heizen Brikett  aus Obstresten  pressen, die dann getrocknet und zum Heizen verwendet wurden. Ich  hatte ein kleines Zimmer, da standen nur ein Bett, Schrank, Stuhl und Tisch darin.  Im Winter war das Bett jeweils mit einer hauchdünnen Eisschicht gefroren. Es gab keine  Bettflasche, kein Heizkissen, aber eine beidseitige Mittelohr-  Entzündung. Dann hörte ich  von diesen Bauersleuten: „Du bist ein Simulant“!! Es wurde noch schlimmer; ich  erkrankte dann zusätzlich an einer  FACIALIS PARESE. Mein Mund hatte keinen  Geschmackssinn mehr und mit der Nase konnte ich auch nicht mehr riechen. Man hätte  mir die Augen  zubinden können, und dann mich mit Kot füttern können, ich hätte nichts  gemerkt. Mein linkes Auge konnte ich nicht mehr kontrollieren, mein Mund  war nach  rechts verschoben; ich sah schrecklich aus. Und wieder hörte ich bei meinen starken  Ohrenschmerzen und einer krassen Gesichtslähmung,  dann eine Kieferhöhlen und  Stirnhöhlenvereiterung: „Du bist ein Simulant“.  Nicht weit von Greifensee, wo ich also bei einem Landwirt gelitten habe, war eine kleine  Methodistenkirche, die Ihren Gottesdienst immer am Sonntag  – Abend hatte. Mit einer  speziellen Bewilligung des Amtsvormundes durfte ich am Sonntag – Abend jeweils  dorthin flüchten. In erster Linie ging ich  aber dort hin, damit ich von diesem  Landwirtschaftsbetrieb für eine kurze Zeit weg sein konnte. Aber als ich dann wirklich  schwer krank war, flüchtete  ich an statt in diese Gemeinde mit der Eisenbahn (SBB) nach  Zürich zu meiner Mutter, die mir dazumal doch noch am nächsten stand. Weil ich etwas   Unerlaubtes machte, meldete ich mich sofort und freiwillig bei der Stadtpolizei der Stadt  Zürich im Kreis Hottingen. Es ist die Polizeistelle, wo ich im  Februar 1969 vom EVU  (eidgenössischer Verband der Übermittlungsgruppen) aus als Vorstandsmitglied und  Soldat im Einsatz stand. Ich dachte, die  Stadtpolizei wird mir schon helfen, denn schon  damals hiess es in Zürich: „Die Polizei – Dein Freund und Helfer“ Diese Männer waren  für einen  Moment geschockt und sprachlos als sie mich sahen. Dann erzählte ich die  wahre Geschichte, wie ich zu diesem schrecklichen verzogenen Gesicht und  den  Schmerzen kam. Die wollten mir wirklich helfen. So machten sie einen Rapport, notierten  alle notwendigen Namen und ich durfte zu meiner  Mutter, die zu jener Zeit an der  Witikoner Straße 49 in Zürich 7 wohnte. Am Montag hat dann die Polizei telefonisch den  Landwirt orientiert und auch  mitgeteilt, dass er mit einer Anzeige rechnen muss. Auch der  Vormund wurde darüber orientiert. Da aber der Vormund mit diesem Landwirt befreundet   war, bekam dieser nie eine Anzeige und deshalb war über diese Geschichte in den  Vormundschafts - Akten keine geschriebene Zeile zu finden.  (amtliche Korruption nenne  ich das). Ich selber wurde zum Kinderarzt und dann zum Ohrenarzt geschickt. Er  behandelte dann die Mittelohrentzündung  und dann schickte er mich zu einem  Nervenarzt, der gleich sagte, dass er diesen Fall nicht übernehmen könne und so wurde  ich zu einem Nerven und  Psychiatrie - Doktor überwiesen; Dr. Josef Littmann an der  Stockerstrasse in Zürich. Dieser war auch der Psychiater der Strafanstalt in Regensdorf,  gab  aber auch Vorlesungen an der Uni Zürich. Er stellte sehr schnell fest, dass meine  Nerven auf der linken Seite im Gesicht völlig gelähmt waren. Dann  musste ich pro Woche  drei Mal zu ihm und er versuchte mit pharadischen und galvanischen Elektroschocks die  Nerven in meinem Gesicht zum Leben  zurück zu holen, was ihm GOTT sei Dank auch  gelungen ist. So wurde ich auch zu Vorlesungen in die Universität in Zürich  mitgenommen, wo er  seinen Studenten aufzeigte, was er mit diesem verzerrten Gesicht  machte. Ich darf dankbar sein, denn ich sah nach einer Behandlung von drei Monaten   wieder fast normal aus. Die Dauer der Behandlung imponierte aber dem Vormund gar  nicht. Er wollte mich unbedingt von meiner Mutter wegnehmen,  das war ihm das  wichtigste. Er brachte mich in Stäfa zu einer Bäckerei und hier musste ich als  Brotausträger die Kundschaft beliefern. Der Bäcker –  und Konditor – Meister, Herr Stöhr  war wiederum ein Freund des Vormundes. Zudem musste ich jeden Nachmittag die  Backstube reinigen. Natürlich  musste ich immer noch zu dem Nervenarzt in Zürich, die  Versetzung von Zürich nach Stäfa war ja auch zu frühzeitig und so musste ich also  diesen  Arzt von Stäfa aus besuchen. Ich hätte ein freches Maul gehabt, sei an mir selber  nicht sauber gewesen, zu viel mit der Kundschaft geschwatzt usw. An  mir selber nicht  sauber? Natürlich schwitzte ich beim Brot aus tragen und dann erst recht beim Reinigen  der Backstube. Ich wusste noch nicht was eine  Sauna ist, aber ich habe diese bei der  Arbeit selber errlebt. Diese hatte am Nachmittag Minimum eine Temperatur von 35 – 45  Grad Celsius. Stäfa liegt  an einem steilen Abhang auf der Nordseite des Zürichsees, also  Sicht nach Süden. Ich durfte mich aber nicht täglich duschen wie es nötig gewesen  wäre.  Überhaupt war die Frau des Bäckers sehr geizig. Von dem steht aber nichts in den  Akten. Erst etwas später wurde mir bewusst, dass der Landwirt  in Greifensee und der  Bäcker in Stäfa eben Freunde des Amtsvormundes waren. Somit hätte ich an beiden  Orten eine billige Arbeitskraft sein  sollen.  Auf die negativen Bemerkungen der Frau des Bäckermeisters holte mich der Vormund  weg und brachte mich am 25. August 1954 ins „Landheim  Brüttisellen“. Eigentlich müsste  ich immer noch zweimal pro Woche zum Nervenarzt, das wurde mir aber strickt mit den  Worten:„das kommt gar nicht  in Frage“ nicht erlaubt. Landheim, ein sanfter und schöner  Namen für eine Anstalt für Schwererziehbare Jungs. Hier hat das Leiden wiederum   begonnen und zwar unter der Direktion des Herrn Walter Zwahlen.  Jetzt kommt ein Stück Demokratie, verbunden mit Redefreiheit: Bereits nach einem  Monat nach der Einweisung in dieses Gefängnis habe ich einen Brief  an den Lehrling der Bäckerei in Stäfa geschrieben. Dieser Brief wurde aber von  der  Anstalt zurück gehalten. Ich schrieb:  Sept. 1954  Lieber Walti! Es ging nicht lange so war ich in Brüttisellen. Der Zopf (süsses Weissmehrbrot) wurde im  Auto von Herrn Landolt und mir genossen.Hier ist es schöner  als ich mir vorgestellt habe.  Wenn bei euch oben noch Kleidungsstücke hervorkommen, bitte ich Dich, mir diese  zuzuschicken. Das Porto werde ich  Dir dann bezahlen. Geht es besser ohne mich ? Mich  dünkts hundsgemein von Herrn Stöhr, ein Adiö brachte er nicht aus dem Mund aber eine  dumme  Schnauze konnte er hoch halten. Er soll ja nicht meinen, die Wanne habe er  wegen mir nicht mehr, sonst kann ers mit Krähbühls bekommen. Falls er  noch dumme  Reden spritzen will, kann er sein Mund bei Herrn Landolt leeren.  Und nun mein Tagesverlauf ganz kurz gefasst:  6 1/2 aufstehen, An den  Frühdienst. 7 1/2 Morgenessen,, 8 1/2 wieder an die Arbeit, 11  3/4 Mittagessen, 13 1/2 an die Arbeit, 17 3/4 Abendessen und Feierabend, also ganz   anders (als) bei Dir. Was macht Eberhard ? Lasse ihn grüssen. Und nun Tschau. Dein Kamerad R. Stutz Knabenheim Brüttisellen (Zch)  Nach fast 50 Jahren bin ich dann zur Erkenntnis gekommen, dass ich ein Gefühl von  Recht oder Unrecht erhalten hatte. In dieser Anstalt (offenem  Gefängnis oder Zuchthaus)  wurden wir jeden Sonntag dazu gezwungen zu einem Gottesdienst in eine 4km entfernte  reformierte Kirche in Wangen bei  Dübendorf  zu marschieren. Dort war ein staatlicher  freisinniger Pfarrer, der selbst nicht an das glaubte, was er predigte. Der  Gefängnisvorsteher hatte  an diesem Ort einen sehr guten Ruf, da er jeden Sonntag mit  uns in diese Kirche ging. (Zweierkolonne Marsch !) Im Gefängnis hingegen war er ein   ungerechter und jähzorniger Tyrann. Gleichzeitig spielte er noch fromm. Jeden Morgen  las er aus einem Andachtsbuch, leider weiss ich aber den Namen  dieses Buches nicht  mehr. Jeden Morgen musste ich ein Lied aus dem Kirchengesangbuch anstimmen.  Die Noten kenne ich heute noch nicht. Warum  immer gerade ich?  Ich weiss, dass  ich singen konnte, ich weiss auch, dass ich eine sehr schöne Stimme hatte, aber  was war mit den anderen in dieser  Anstalt? Als wir Jungs auf die Behörde gingen um  ihn wegen Jähzorn dort anzuzeigen, glaubte man uns nicht. Das Resultat war eine sehr  böse  Vergeltungsmaßnahme: Uns wurde beispielsweise 10 Sonntage lang verboten am  Nachmittag auszugehen, etc.  In dieser Zeit besuchte mich dann einmal die Mutter und es blieb dann bei dem Einen  mal mit meiner kleinen Schwester direkt in der Anstalt.  Ich musste fast ein Jahr in der Landwirtschaft (als Knecht) arbeiten.  Zwei ausgebildete Landwirte waren für diesen Betrieb zuständig. Erst im Jahr 1965  stellte ich fest, dass diese zwei Männer „super fromm“ waren. Sie  gehörten zur  Evangelischen Brüdergemeinde und das konnte ich spüren, nur wusste ich nicht, was ich  zu spüren bekam. Komisch! In der Anstalt habe  ich nie etwas davon gespürt. Ich kann  nur sagen: wir wurden hart „geschlaucht“. Mit der Zeit wurde ich zuerst für die Pferde  verantwortlich, später, für  die Schafe, Hühner und die Schwäne. Besonders zu den  Schwänen hatte ich ein sehr gutes Verhältnis. Auch wenn die „Frau Schwan“ im Nest lag  und  Ihre Eier ausbrütete, durfte ich als einziger zu Ihr und gab ihr das Futter aus meiner  Hand. Und der „Herr Schwan“ hatte gar nichts einzuwenden. Das  verstanden weder die  Mitarbeiter, noch der korrupte Herr Direktor dieser Anstalt, ich aber auch nicht!  Etliche Male wurde ich in das Büro des Herr Direktor gerufen und fast nach jedem  Gespräch flog sein offener Schlüsselbund auf meinen Kopf zu. Wenn  andere junge  Männer in diesem Gefängnis falsch beschuldigt wurden, kamen sie komischerweise  immer zu mir. Was hatte ich jeweils mit dieser Sache  zu tun? Es ging fast immer um die  gleiche Sache; die ledige Schwägerin, schon ca. 40 Jahre alt beschuldigte uns Jungs oft  für etwas, was wir nicht  gemacht haben. Und so spielte ich ohne zu merken oft den  Rechtsanwalt für die anderen Insassen. Es war aber üblich, dass der Anstaltsdirektor  beim  Schlüsselbund gegen mich werfen sagte: „auch wenn ihr im Recht seid, den  Angestellten gegenüber habt ihr anständig zu sein“ und jedes mal ging es  um die  Schwägerin des Herrn Zwahlen. Der arme Mann musste mich grausam gehasst haben.  Ich habe mich nie über seine Anweisungen oder Befehle  beklagt,aber „ich habe die Faust  in der Hosentasche“ gemacht.  Viele dieser Sachen lösten in mir fürchterlichen Groll und Bitterkeit aus. Es war grausam!  Aber ich konnte nach vielen Jahren dennoch vergeben, da  auch ich dreißig Jahre später  in der Wüste Judäa in Israel Vergebung empfangen hatte. Das ist ein Wunder!  Während der 3 ½ Jahre, die ich in dieser Anstalt zu brachte, hatte ich einen ganz  anderen Vormund als vor der Heirat meiner Eltern. Es war der  Amtsvormund des Bezirks   Meilen. Dieser Mann wurde gegen  Ende meines Anstaltsaufenthaltes gegen meine  bisherigen Erfahrungen komischerweise  immer netter zu mir. Da auch er an gewisse  Vorschriften von oben gebunden war, brachte er mich in diese Anstalt, sagte er. Während  meines  Aufenthaltes in diesem Gefängnis, bekehrte er sich. Er übergab also JESUS sein  Leben, das heisst: aus einer Karteileiche der Reformierten Kirche  wurde ein Christ.  Da ich also schon längere Zeit für die Tiere verantwortlich war, hatte ich den Eindruck,  dass ich Geflügelwärter lernen könnte. Das  passte aber wiederum dem Direktor der  Anstalt nicht. Als meine Mutter davon hörte, schickte sie meinen Onkel auf die  Vormundschafts - Behörde, der  dort intervenierte, dass ich doch Maler werden sollte.  Prompt bekam ich vom Vormund einen Brief, dass es gut wäre, wenn ich die Berufswahl   nochmals überlegen würde. Ich willigte dann zum Malerberuf ein und bekam ganz nah  eine Lehrstelle, die ich erst im Frühling 1955 antreten konnte.  Als mein Vater im Alkohol  war, hatte ich neben der Schule Fensterläden und Fenster   gestrichen. Ich hatte mir das  Arbeiten von meinem Vater  abgeschaut und konnte also malen. Aus finanziellen Gründen  musste ich ja auch mitarbeiten. Und jetzt kamen die vielen Lügen des Malermeisters und   dem Anstaltsdirektor. Ich hatte drei Monate Probezeit. Aber erst nach sechs Monaten  tauchten der Malermeister und der Anstaltsdirektor auf einer  Baustelle auf. Die Anstalt  hatte zu der Zeit zu wenig Landwirtschafts – und Gärtner – Lehrlinge. Sie brachten mir  bei, dass ich für diesen Beruf  ungeeignet sei, was eine echte Lüge war.  Viele Jahre später renovierte ich die ganze Schweizer Botschaft in Tel Aviv von Innen  und teilweise auch von außen. Und das diplomatische Personal  war vom einfachsten  Angestellten bis zum Botschafter sehr zufrieden. Immerhin wurden dann  diese Arbeiten  von einem Fachmann kontrolliert.   Ich musste zurück zur Anstalt und wieder intern arbeiten. Ein Monat verging und dann  wurde ich ins Büro gerufen. Bei diesem Gespräch war niemand  dabei. Und das war die  Rede des Herrn Direktor: „ entweder lernst Du Landwirt oder Gärtner oder Du kommst in  die Anstalt Tessenberg“. Ich kann  nicht beweisen dass er das so gesagt hat, aber ich  weiss, dass dies die Wahrheit ist. Aber an diesen Ausspruch erinnere ich mich noch sehr  (Mega) gut.  Diese Rede und viele andere wurden in den Akten nicht vermerkt oder diese  Rapporte wurden mir vorenthalten. Ich hatte dann eine Woche Zeit zum  überlegen. Ich  wollte aber keinesfalls nochmals ein (Sklave) Knecht bei einem zynischen Landwirt sein,  das kannte ich ja schon von Greifensee. So  entschied ich mich für den Gärtner. Da ich  aber ein sehr gutes Verhältnis zu der Schwanenfamilie hatte, durfte ich dieses  beibehalten.  Die Lehre musste ich innerhalb der Anstalt am 1. April 1956 beginnen. Jetzt erhielt ich in  dieser Anstalt auch ein Einzelzimmer. Der Gärtnermeister,  Herr Hans Künzler  unterstützte mich sehr bei der Lehre. Ich war erstaunt über die Freundlichkeit und  Motivationsunterstützung dieses Mannes. Ich  lernte also sehr viel in kurzer Zeit. Leider  verließ Herr Künzler diese Stelle als Gärtnermeister und wurde als Chef einer anderen  Erziehungsanstalt in  den Kanton Basel berufen, ich glaube, die hieß Erlenhof.  In dieser Zeit nahm mich Herr Künzler einmal in ein besonderes Treibhaus. Er wollte mir  etwas Wichtiges mitteilen. Mitte Juni 1956 bekam ich zu  wissen, dass meine Eltern im  Februar 1956 geschieden wurde. Das fand ich gut. Es ging aber noch einige Jahre, bis  ich realisierte, warum mein Vater  wieder dem Alkohol verfiel. Traurig aber wahr: meine  Mutter war eine unordentliche Frau. Überall lag Wäsche herum. Bevor wir uns zum  Essen an  den Tisch setzen konnten, mussten wir die Stühle frei machen. Wir wohnten  eigentlich die meiste Zeit in einem Schweinestall. Deshalb verfiel mein  Vater im Frühling  1952 wieder dem Alkohol. Als er das dritte Mal verheiratet war, kam er vom Alkohol los, ja  es kam sogar so weit, dass er  Alkoholiker aus den Saufbeizen herausholte. Die Wirte  drohten ihm dann mit dem Tod. So bewaffnete die Polizei ihn für Selbstverteidigung.  Am 7. Mai 1956 schrieb der Anstaltsdirektor einen Brief an die Amtsvormundschaft zu  Handen des Vormundes. Aus diesem Brief muss ich jetzt einige  Zeilen abschreiben:  Sehr geehrter Herr Landolt,  Ihr Mündel René Stutz hat Ihnen m.w. bereits schriftliche  Mitteilung darüber gemacht, dass er nun bei uns  die Lehre als  Blumengärtner beginnen möchte. (diese Lüge !)Wir waren  s.Zt. selber etwas skeptisch, als  nach den vielen  verschiedenartigen Berufsplänen dann auf einmal dieser  Wunsch auftauchte. Herr  Berufsberater Karthaus hat sich bei  der nochmaligen Kontrolle des Jünglings dann auch  vorbehaltlos für  einen Versuch mit der Gärtnerlehre  einverstanden erklären können.  Dieser Brief sagt noch weiter aus: ich sei sehr fleissig,  überdurchschnittlich gut, interessiert und geschickt.  Zu mir  sagte aber der Direktor Zwahlen: „entweder lernst Du  Landwirt oder Gärtner oder Du kommst in  die Anstalt  Tessenberg“. Ich stelle also fest, dass Zöglinge, Gefangene,  Zuchthäusler keinesfalls lügen  dürfen, hingegen ist es   Direktoren  und Mitarbeitern von Erziehungsanstalten,  Gefängnissen und  Zuchthäuser erlaubt, zum eigenen Vorteil  und  zum Vorteil der Anstalten oder Gefängnisse zu lügen.  Zu jener Zeit tauchte dann der Vormund, Herr Arnold Landolt mit einer wunderschönen  neuen Bibel bei  mir auf. Unter vier Augen teilte er mir mit, dass diese Bibel mir zu einem  neuen Leben helfen kann.  Dann kam ein neuer Gärtnermeister in diese Anstalt; Herr Paul Ellenberger aus dem  Kanton Bern.  Vermutlich hatte Herr Künzler ihn über mich informiert und sicher auch  gebeten, mich zu unterstützen.  Jede Woche mussten die Landwirtschafts - und der  Gärtnermeister ins Direktionsbüro, um einen  mündlichen Bericht über die Zöglinge,  respektive Innsassen abzugeben.  Am 11. Januar 1957 schickte der Vormund, Herr  Landolt an mich den militärischen Marschbefehl für  die  am 11. Februar in Aarau beginnende  Rekrutenschule. Gleichzeitig erhielt ich von Ihm eine  Einladung des  CVJM für ein verlängertes  Wochenende für angehende Rekruten nach  Hospental. Dieses Wochenende war  für mich eine  Wende in meinem Leben, da ich meine erste grosse  Liebe fand. Ich war total verknallt in ein  Fräulein, das  in der Küche half. Als das Wochenende fertig war  musste ich zurück in die Anstalt, aber nur  noch für  eine Woche. Der Abschied tat mir aber grausam weh,  jedoch wusste ich jetzt Namen und Adresse.  Erika lud  mich aber ein, zu Ihr und ihren Eltern zu Besuch zu  kommen  In all den drei Jahren, die ich in dieser Anstalt war,  wurde ich immer gezwungen, die angelieferten Säcke   von 50 kg mit Mehl, Zucker etc. ins Dachgeschoss in  die Vorratskammer zu tragen. Ich musste diese selber   vom Boden hochheben. Den Erfolg habe ich dann mit  50 jährig mit 70 % invalid erleben dürfen, wurde  aber  erst mit 70 operiert. Immer hiess es, ich sei nicht gehorsam, mache die Arbeit  unzuverlässig, warum  hat man dann immer mich geholt, wenn es um schwere Säcke  ging?  Dann kam der lang ersehnte Moment, als ich in die Schweizer Armee eintreten konnte.  Nun war die Zeit  des offenen Gefängnisses endlich und hoffentlich für immer vorüber. Ich  weiß aber noch gut, als ich nach  Zürich zur Aushebung musste. Gegenüber der  Städtischen Feuerwehr von Zürich ist ein sehr großer  Sportplatz und da wurden die  angehenden Soldaten auf ihr sportliches Können hart geprüft.  Den Rahm auf dem Dessert lieferte wie schon des Öfteren Herr Direktor Zwahlen der  Anstalt:  Er schrieb dann an den zuständigen Offizier in einem Brief: „eine militärische  Nacherziehung würde mir  sicher gut tun“. Da fühlte sich der zuständige Korporal sehr  angesprochen. Die ganze Zeit hackte er auf mir  herum. Ich bekam ohne Grund  Speziallektionen auf dem Kasernenplatz in Liegestützen,  Karabinerübungen, hin und her  Rennen etc. Auch musste ich immer zusätzlich das Gewehr des Korporals  reinigen.  (damit Ihr mich verstehen könnt, müsst Ihr unbedingt den alten Schweizerfilm; „HD – Soldat Läppli  ansehen).  Wenn unsere Kompanie nach harten Übungen erschöpft eine Pause machte, die vom  Oberleutnand befohlen wurde, hiess es fast jedes Mal: Rekrut  Stutz, stimmen Sie ein  Lied an. Ich hatte das Militärsingbüchlein aber auch immer bei mir. In Sachen  Singen hörte ich wieder die gleichen Befehle wie  in der Anstalt. Also: so stelle ich  heute (2011) fest, ich konnte singen und hatte eine entsprechend schöne Stimme.  Warum nur wurde ich in dieser Sache  nicht gefördert? Es war üblich, dass in der Zeit  der Rekrutenschulen ein Gefreiter Soldat namens Schreiber alle Rekrutenschulen  besuchte, um mit  diesen jungen strammen Männern zu singen. Das Tagesprogramm  wurde bereits vom Oberleutnand heraus gegeben. Und das war zu lesen: 15.00 Uhr:   ganze Rekrutenschule zum Singen mit Gefr. Schreiber im Ess – Saal!  Als wir jungen  Männer alle schon auf diesen Mann warteten, kam unser Herr  Maior in den Saal und  teilte uns mit, dass Herr Gefr. Schreiber nicht kommen kann, da er plötzlich erkrankt sei.  Da meldete sich  unser  Kompaniekomandant bei Herr Maior und gleich hörte ich  meinem Namen. „Rekrut Stutz vortreten“ hiess es und als ich vor der Bühne stand,   wurde mir befohlen hoch zu kommen. Denn Rest dürfen Sie sich denken. Endlich  habe ich einmal das Richtige gemacht, endlich wurde ich  einmal gelobt, das war  eine Labsal für mich.  Dann erkrankte ich an Masern, die der  Kompaniekommandant in die Kaserne reinholte, dann an  Mittelohrentzündung und das gleich zweimal  nacheinander.  Ich wurde dann von diesem zuständigen Korporal  schikaniert und vor der ganzen  Kompanie als Simulant  hingestellt. In dieser Zeit wurde ich 100% taub.  Dann kam wieder ein Dessert mit Schlagrahm, wieder vom  Herr Direktor Zwahlen, der mich so richtig fertig machen  wollte. Der Kompanie - Kommandant erhielt von diesem so  angesehenen Herr Direktor der Anstalt wieder einen Brief.  Nicht zu glauben; er fand eine Gelegenheit mich auch in der  Rekrutenschule zu denunzieren. Er schrieb am 22. Februar 1957  Sehr geehrter Herr Oberleutnant, Sie haben in Ihrer Kompanie unseren gewesenen Schützling  Stutz René.  Wir wären Ihnen nun sehr dankbar, wenn Sie in  unauffälliger Art gelegentlich feststellen könnten, ob  dieser  eine Armbanduhr auf sich hat. Sollte das zutreffen und die  Uhr zudem eine solche der Marke Blita  mit schwarzem Lederband und grossem Sek.- Zeiger sein, so wäre es diejenige eines anderen Jugendlichen  unseres Heimes. Am  Vortage vor der Abreise des Stutz René ist die gen. Uhr beim gemeinsamen Duschen   abhanden gekommen. Da Stutz zufällig vor längerer Zeit seine eigene Uhr auf ähnliche  Art verloren hat,  wäre es denkbar, dass er vor dem Einrücken in die RS  /(Rekrutenschule) sich nun wieder eine solche  beschaffen wollt. Es ist uns nicht  angenehm, Sie mit dieser Sache belästigen zu müssen. Sollte jedoch  unsere Vermutung  richtig sein, wäre die Feststellung wohl auch für Sie nicht ohne Bedeutung. Doch auch   die erfreulichere Möglichkeit wäre für uns wissenswert.   Hochachtungsvoll: Zwahlen Schlau war dann der Feldwebel, der dann einmal fragte, warum ich immer so pünktlich  erscheine, ob ich meine Uhr fünf Minuten vorgestellt hätte? Meine Antwort: ich habe  keine Uhr, die wurde mir vor zwei Jahren gestohlen. Der Oberleutnant schrieb dann an dem Anstaltsdirektor: Sehr geehrter Herr Verwalter Ich danke Ihnen für Ihr Schreiben vom 22. Dies. Indessen freut es mich,  Ihnen mitteilen  zu können dass Stutz René gegenwärtig keine Uhr besitzt. Ich werde ihn in dieser   Hinsicht jedoch noch weiter beobachten.  Stutz René habe ich in Anbetracht seiner Familienverhältnissee  sofort unter spezielle  Obhut genommen. Bis jetzt machte er mir einen guten Eindruck und es scheint, dass er  in jeder Hinsicht guten Willens ist seine  Pflicht zu erfüllen. Ich kann denn nur hoffen, dass  die Rekrutenschule ihn einen weiteren Schritt in der Erziehung für sein späteres Leben  weiterbringen  wird. Mit freundlichen Grüssen  Kp. Kdt..II.Kp  Oblt Guntern  Ich wurde dann von der Rekrutenschule aus zu meiner Mutter geschickt, um von dort aus  in den Kantons – Spital der Universität Zürich zu gehen. Als  ich ankam, wusste der  zuständige Oberarzt schon alles. Ich hörte ja nichts mehr. Als dieser Dr. med. FMH von  Schulthess mich untersuchte, ging er  auch mit einem flachen Holzstab in meinem Mund,  um die Ursache der Entzündung zu finden. Der Brechreiz war so stark, dass ich mich  ergab und  ihm die ganze weisse Schürze mit meinem Frühstück beschmutzte.  Interessant war, dass dann die Arztgehilfin = Krankenschwester nach 15 Jahren mich   erkannte. Als fünfjähriger Junge sass ich auf Ihrem Schoss, als man mir mit einer Haube  die Narkose verpasste und mir dann die Mandeln  rausgeschnitten hat. Dazumal hiess ich  aber René Bär. Nachdem ich mich in Zürich einer schmerzvollen Operation unterzogen  hatte, kam das Gehör  langsam zurück. So konnte ich die Rekrutenschule in der  bisherigen Art und Weise nicht fertig machen, ich wäre auch nicht in der Lage gewesen.  Jetzt  konnte ich nicht arbeiten, ich konnte aber auch nicht die Lehre sofort fortsetzen,  weil mein Gehör noch viel zu schwach war. So reiste ich ganz  aufgeregt ins Emmental  nach Sumiswald zu meiner ersten Liebe. So aufgeregt war ich in meinem Leben noch  nie. Ich durfte eine ganze Woche dort  sein, wo heute die Kantonspolizei vom Kanton  Bern ihren Posten hat. Zuvor war da die Sattlerei Niggeler. Dazumal hatte es in diesem  Haus kein  Badezimmer. Für ein Bad wurde in der Küche ein grosser Zuber (offenes  Gefäss aus Holz, wo man hinein sitzen konnte) aufgestellt und dann mit  Wasser gefüllt.  Dort badete gerade Erika, als ich anklopfte. Wir durften im gleichen Bett schlafen, da ich  aber Angst hatte, dass es vom Küssen Babys  gibt, war ich buchstäblich ein Angsthase  und deshalb wollte Erika mich nicht mehr sehen. Später realisierte ich, dass ich bei Erika  die Mutterliebe  suchte, die ich zwanzig Jahre kaum zu spüren bekam. Ich wurde nur so  aufgeklärt, dass es vom küssen Jungs gibt. Meine Mutter schämte sich so, dass  sie mir  eben mit solchem Quatsch nur Angst einflösste. Dann hörte ich noch Geschichten von  der Biene, die von Blume zu Blume flog. Die Wahrheit  hörte ich aber nie. Da war ich  gerade 13 Jahre alt.  Und so machte ich dann in diesem Bereich in meinem Leben einige  Dummheiten, so dass ich sogar  einmal in Untersuchungshaft kam. Dazumal durfte man  sich nicht in 17 jährige Mädchen verlieben und schon gar nicht betasten. Das wusste ich  ja  nicht. Aber der Bezirksuntersuchungsrichter wollte jede Handbewegung wissen, so  dass ich später realisierte, warum er so wissbegierig war. Denn  der  an der  Schreibmaschine sitzende Polizist musste aber komischerweise nicht alles so genau  aufschreiben. Ob das im Bezirksgericht in Zürich wohl  immer noch so ist?  Kurz darauf  wurde in dieser Sache das Gesetz geändert und das Schutzalter sank auf 16. 
Meine um 14 Jahre jüngere Schwester
Von der Anstalt aus in Adliswil konfirmiert
Ende 1956 René vor der Rekrutenschule
René Will auch ein großer Mann sein
1957 Rekrutenschule in Arau René als er taub war