Meine Jugendzeit (Kapitel 3) Als 14 jähriger Junge musste ich meine Mutter nicht selten vor meinem Vater  beschützen. Er war ein echter Alkoholiker und Prügelknabe, der meine  Mutter des  Öfteren zusammenschlug. Alle zwei Wochen erhielt mein Vater eine Lohn - Bezahlung,  die er völlig in Alkohol umsetzte. So musste ich  neben der Schule auch Arbeiten gehen,  damit die Familie genügend zu Essen hatte. So habe ich das verwendet, was ich bei  meinem Vater gesehen  habe, wenn er nüchtern war, nämlich malen. So musste ich an  Appenzeller Bauern – Häusern Fassaden reinigen und zum Teil dann neu streichen, vor   allem aber Fensterrahmen und Läden. Die Hausaufgaben hab ich nicht im geforderten  Maße erledigt. Da ich kurz bevor ich nach Hause zurückkehrte  in einem Heim und der  dazugehörigen Schule für geistig behinderte Kinder war, war die Umstellung auf die  normale Primar-Schule umso schwerer  (ich schloss die Schule mit der siebten Klasse  ab). Ich fühlte mich jedoch geistig normal und so trat ich dennoch der Primar-Schule bei.  Allerdings  ließ ich mich freiwillig um ein Jahr zurückstufen. Der Lehrer, der von all dem  nichts wusste hat mich ein ganzes Jahr lang gefragt: „Wo ist dein  Schulzeugnis?“  Daraufhin habe ich gelogen und behauptet wir hätten es beim Umzug verloren. Genau  genommen hat es nicht einmal einen Umzug  gegeben, ich bin nur einfach vom  Kinderheim zu meinen Eltern gegangen. Der Lehrer bestätigte mir im Nachhinein, dass  wenn er das Zeugnis der  Hilfsschule gesehen hätte, er mich in eine Spezialschule oder  Hilfsklasse gebracht hätte und mir nicht so geholfen wie er es tat. Die Wahrheit hat er   dann über die Behörde erfahren.  In dieser Verhältnis - mässigen kurzen Zeit an diesem Ort hatte mein Vater einen  krassen Motorradunfall. Er war nach mehreren Restaurants –  Besuchen in Teufen im  Appenzellerland nachts um 11 Uhr voll Alkohol. Er fuhr auf der Hauptstrasse von Teufen  Richtung Speicher. Das von uns  bewohnte primitive Bauernhaus war ziemlich genau in  der Mitte dieser zwei Ortschaften. In jener Nacht kam kein Vater nach Hause. Hingegen  fuhr  er mit voller Wucht in den zwei Meter hohen Draht – Geflecht – Zaun bei dem  Schulhaus, wo ich zur Schule ging. Am Morgen, als ich zur Schule  kam, fing mich der  Lehrer schon an der Haustüre ab und ging mit mir hinter das Schulhaus. Ich sah wohl  den demolierten Zaun, hätte aber nie  gedacht, dass dies mit meinem Vater zu tun hätte.  Jetzt sah ich das Motorrad, das er zertrümmerte. Dann erklärte mir der Lehrer den  Unfall. Der Vater  war also ca. mit 90 Stundenkilometern in den Zaun gefahren und dieser  hat ihn dann auf die andere Strassenseite an die Betonmauer geschleudert. Ich  weiss  nicht mehr, was er dazumal alles gebrochen hatte. Statt in die Schulbank zu sitzen  schickte mich der Lehrer in das Spital. Ich bekam dann zu  hören, wie es ihm leid tut,  dass er eine Schande über die Familie gebracht hatte. Er werde sicher nicht mehr  trinken. Ich versuchte ihm zu glauben  aber ich wurde entsetzlich enttäuscht. Es verging  kein Monat, da war er wieder voll. Meine Mutter rief dann den Prediger, Herr Schaad der   Methodistenkirche in Teufen an und bat ihn um Hilfe. Dann besuchte er uns und brachte  viel Esswaren mit, sogar für uns Kinder hatte er etwas bei  sich, das uns Mutter und Vater  nicht wegnehmen durften. Dann organisierte dieser Mann, dass uns der Präsident des  Blauen Kreuzes von Teufen   besuchte. Er war früher einmal selbst ein Alkoholiker und er  erzählte meinem Vater, dass er nur mit GOTTES Hilfe aus diesem Sumpf kam, er, mein   Vater solle es doch auch auf diesem Weg versuchen. Da er sehr lange zögerte, ein „JA“  heraus zubringen und dann das Papier zu unterzeichnen, ging  ich als gutes Beispiel  voran und unterschrieb. Mit GOTTES Hilfe habe ich mich an dieses Versprechen  gehalten.  Mein Vater verließ im Frühling 1953 die Familie und zog nach Meilen an die sogenannte  Goldküste in der Nähe von Zürich. Dort fand er Arbeit in  seinem Beruf als Maler, sein  Alkoholkonsum ging jedoch unvermindert weiter. Meine Mutter und ich hatten dann die  Aufgabe alles zusammen  zupacken und zogen nach Zürich zu einer Ihrer Schwester, wo  sie dann auch das Scheidungs - Verfahren einleitete. Aus den Akten entnehme ich, dass   sie trotz allen Widrigkeiten auch nach Meilen zum Vater zog, da die Vormundschafts- Behörde der Stadt Zürich bereits wieder zuschlug. Auch sollen  mein Bruder und ich sehr  frech geworden sein. Ich muss zugeben, dass ich für unsere Rechte der Kinder kämpfen  musste und dazu konnte ich noch  nicht diplomatisch sein. Als er davon hörte, kam dann  der Tag, da wollte er sogar die ganze Familie umbringen. Wir bewohnten im  Dachgeschoss  zwei Zimmer und im Keller kochte Mutter auf einer einzigen elektrischen  Platte in einem Ein-Familien-Haus bei Familie Kappeler in Ober - Meilen.  Das war für  uns die billigste Alternative, kostete aber das Dreifache. Wenn die Mutter Zeit dazu  hatte, ging sie in Zürich in ein Institut für Hygiene  innerhalb des Kantonsspitals, später  dann in eine Schokoladenfabrik der Migros arbeiten.  Als mein Vater nicht mehr weiter wusste, den Alkohol nicht lassen konnte, einfach genug  von diesem Leben hatte, kam ihm eine schlimme Idee: Er  wollte zuerst mich, dann  meinen Bruder, dann meine Schwester, die Mutter und schließlich sich selbst  erschießen. Er hatte bereits den Revolver, auf  mich gerichtet als im letzten Moment ein  Landwirt, Herr Brunner der Chef über die Polizei der Gemeinde Meilen herein kam.  Dieser Mann schlug  meinem Vater aufs Handgelenk und der Schuss ging daneben.  Mein Bruder besuchte zu jener Zeit in Zürich die Schule. Ein Lehrer Namens Dubs  wollte  ihm helfen, vor allem war er überzeugt, dass man aus ihm noch etwas machen könnte,  so ist es in den Akten vermerkt. Ich ging dann in Meilen  zur Schule. Da die  Schulkameraden sahen, dass ich unterernährt war, gingen sie mit mir am Zürichsee  fischen. Diese brachte ich dann „nach Hause“,  denn der Vater gab der Mutter nichts für  den Lebensunterhalt. Und das wenige Geld, das meine Mutter verdiente, war gerade  genug um die tägliche  Eisenbahnfahrt zur Arbeit und zurück zu zahlen. Jetzt, im Jahre  2011 stellte ich fest,  dass meine Mutter uns in der Zeit, wo wir in Meilen wohnten ein   halbes Jahr angelogen hat. Sie gab uns an, in einem Institut des  Kantonsspitals in  Zürich zu arbeiten, was sie auch der Amtsvormundschaft erzählte.  Amtliche  Erkundigungen ergaben aber, dass sie nie in dieser Institution gearbeitet hatte. Was hat  sie denn gemacht, denn sie brachte immer etwas  Geld nach Hause.  Jetzt hörte ich, dass ich wieder bevormundet werde und man mich sofort in eine Anstalt  für Schwererziehbare stecken wollte. Deshalb habe ich an  diese Behörde am 21. August  1953 mit Bleistift an den zuständigen Mann folgenden Text voll Wut geschrieben:  Seehr geerter Herr ! (Schreibfehler inklusive) Da ich nun jeden Tag in die Schule nach Meilen marschieren muss und zurück, werde  sie von mir  erbeten, mir ein Velo zuzuschaffenn. Vom marschieren werde ich immer  magerer und magerer. Und mit einem Jogurt oder mit einem Stück Brot halte  ich es nicht  aus. Letzte oder vorletzte Woche habe ich nachts von 1 ½ - 2 Uhr so viel erlebt wie in  einem ganzen Tag. Es ging nämlich um eine  Pistole. Sei es ein Flobert oder Gewehr. Ich  hoffe, dass ich in Meilen bleiben darf, aber nicht zu einem Bauern, sonst laufe ich davon.  Lieber jucke ich  in den See oder hange an einem langen Ast, als den Alten nochmals  sehen. Mit 18 Jahren will ich nicht konfirmiert werden. Füd das Velo kann ich  leider nur  20.—(SFR) zahlen. Und die ganze Zeit die „Cheibe“ Schulwechslerei verleidet mir auch.  Entweder bleibe ich bei Herrn Berger oder dann  gebe ich es auf. Jetzt ist mir nicht mehr  gut Kirschen zuessen. Gruss von René Stutz, Waid, Ob-Meilen.